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Um diesen gesellschaftlichen Zusammenhang zu rekonstruieren und die Auswirkungen für das Studium aufzuzeigen, wird auf das Habituskonzept von Pierre Bourdieu zurückgegriffen. Unter Habitus ist das Erscheinungsbild sowie die Vorlieben, Wertvorstellungen und Normen die eine Person vertritt zu verstehen. Oder in den Worten Bourdieus: | Um diesen gesellschaftlichen Zusammenhang zu rekonstruieren und die Auswirkungen für das Studium aufzuzeigen, wird auf das Habituskonzept von Pierre Bourdieu zurückgegriffen. Unter Habitus ist das Erscheinungsbild sowie die Vorlieben, Wertvorstellungen und Normen die eine Person vertritt zu verstehen. Oder in den Worten Bourdieus: | ||
− | „Das ist eine allgemeine Grundhaltung, eine Disposition gegenüber der Welt, die zu systematischen Stellungnahmen führt. Es gibt mit anderen Worten tatsächlich – und das ist meiner Meinung nach überraschend genug – einen Zusammenhang zwischen höchst disparaten Dingen: wie einer spricht, tanzt, lacht, liest, was er liest, was er mag, welche Bekannte und Freunde er hat usw. – all das ist eng miteinander verknüpft.“ | + | „Das ist eine allgemeine Grundhaltung, eine Disposition gegenüber der Welt, die zu systematischen Stellungnahmen führt. Es gibt mit anderen Worten tatsächlich – und das ist meiner Meinung nach überraschend genug – einen Zusammenhang zwischen höchst disparaten Dingen: wie einer spricht, tanzt, lacht, liest, was er liest, was er mag, welche Bekannte und Freunde er hat usw. – all das ist eng miteinander verknüpft.“ (Bourdieu 1992, S. 31f<ref name="Bourdieu2">Bourdieu, P. (1992). Die verborgenen Mechanismen der Macht (Schriften zu Politik & Kultur, Vol. 1). Hamburg: VSA-Verlag.</ref>) |
Der Habitus ist eng verknüpft mit dem Milieu aus dem jemand stammt (Primärhabitus), bzw. in das er bzw. sie sich im Laufe des Lebens begeben hat (Sekundär- bzw. Tertiärhabitus). Milieu wird definiert als: | Der Habitus ist eng verknüpft mit dem Milieu aus dem jemand stammt (Primärhabitus), bzw. in das er bzw. sie sich im Laufe des Lebens begeben hat (Sekundär- bzw. Tertiärhabitus). Milieu wird definiert als: | ||
„Demnach bilden sich soziale Milieus dadurch, dass Individuen „Ideen, Interessen, Gefühle und Beschäftigungen gemeinsam haben“. Diese Gemeinsamkeiten führen dazu, dass „sie sich suchen, in Verbindung treten, sich vereinen und auf diese Weise nach und nach eine engere Gruppe bilden“ (Durkheim 1988, S. 55).“ (Bremer & Teiwes-Kügler 2013: 201) | „Demnach bilden sich soziale Milieus dadurch, dass Individuen „Ideen, Interessen, Gefühle und Beschäftigungen gemeinsam haben“. Diese Gemeinsamkeiten führen dazu, dass „sie sich suchen, in Verbindung treten, sich vereinen und auf diese Weise nach und nach eine engere Gruppe bilden“ (Durkheim 1988, S. 55).“ (Bremer & Teiwes-Kügler 2013: 201) | ||
− | In dem Forschungsprojekt „Nutzung digitaler Medien für das Studium und Habitus von Studierenden“ wird an deutsche Milieustudien angeknüpft und die Milieulandkarte von Michael Vester verwendet (Vester et al. 2001) um herauszufinden, ob sich die Nutzung digitaler Medien je nach Habitus der Studierenden unterscheidet. Damit wird auch in den Blick genommen, inwieweit digitale Medien zu einer neuen/andauernden strukturellen Ungleichheit im Studium beitragen (könnten). | + | In dem Forschungsprojekt „Nutzung digitaler Medien für das Studium und Habitus von Studierenden“ wird an deutsche Milieustudien angeknüpft und die Milieulandkarte von Michael Vester verwendet (Vester et al. 2001<ref name="Vester">Vester, M./von Oertzen, P./Geiling, H. u.a. (2001): Soziale Milieus im gesellschaftlichen Strukturwandel. Frankfurt a.M. |
+ | </ref>) um herauszufinden, ob sich die Nutzung digitaler Medien je nach Habitus der Studierenden unterscheidet. Damit wird auch in den Blick genommen, inwieweit digitale Medien zu einer neuen/andauernden strukturellen Ungleichheit im Studium beitragen (könnten). | ||
Zur Beantwortung dieser Fragestellungen werden narrative Interviews (Bremer/Teiwes-Kügler 2013<ref name="Bremer">Bremer, H., C. Teiwes-Kügler. 2013. Habitusanalyse als Habitus-Hermeneutik. ZQF 14:199–219.</ref>) durchgeführt, die mit der Habitushermeneutik (ebd.<ref name="Bremer"></ref>) ausgewertet werden. Durchgeführt wird die Habitushermeneutik als [[Anleitung_zum_hermeneutichen_Verfahren_und_Sequenzanalyse|Sequenzanalysen]]. Ziel der Analyse ist die Rekonstruktion des Habitus und damit verbunden der „Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata“ (Bourdieu 1987, S. 101<ref name="Bourdieu"></ref>) in Bezug auf die Nutzung neuer Technologien durch Studierende. | Zur Beantwortung dieser Fragestellungen werden narrative Interviews (Bremer/Teiwes-Kügler 2013<ref name="Bremer">Bremer, H., C. Teiwes-Kügler. 2013. Habitusanalyse als Habitus-Hermeneutik. ZQF 14:199–219.</ref>) durchgeführt, die mit der Habitushermeneutik (ebd.<ref name="Bremer"></ref>) ausgewertet werden. Durchgeführt wird die Habitushermeneutik als [[Anleitung_zum_hermeneutichen_Verfahren_und_Sequenzanalyse|Sequenzanalysen]]. Ziel der Analyse ist die Rekonstruktion des Habitus und damit verbunden der „Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata“ (Bourdieu 1987, S. 101<ref name="Bourdieu"></ref>) in Bezug auf die Nutzung neuer Technologien durch Studierende. | ||
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Lange-Vester, A., & Teiwes-Kügler, C. (2014). Habitussensibilität im schulischen Alltag als Beitrag zur Integration ungleicher sozialer Gruppen. In T. Sander (Ed.), Habitussensibilität: Eine neue Anforderung an professionelles Handeln (pp. 177–207). Wiesbaden: Imprint: Springer VS. | Lange-Vester, A., & Teiwes-Kügler, C. (2014). Habitussensibilität im schulischen Alltag als Beitrag zur Integration ungleicher sozialer Gruppen. In T. Sander (Ed.), Habitussensibilität: Eine neue Anforderung an professionelles Handeln (pp. 177–207). Wiesbaden: Imprint: Springer VS. | ||
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Version vom 18. April 2018, 13:06 Uhr
Der Versuch, ob kollaboratives online-interpretieren möglich ist, ist in das Forschungsprojekt „Nutzung digitaler Medien für das Studium und Habitus von Studierenden“ eingebettet. Ausgangspunkt des Projektes ist, dass digitale Medien Einzug in den Studienalltag gehalten haben, bisher aber wenig über die Nutzungspraktiken von Studierenden. Es gibt bereits Untersuchungen, die Abfragen wie oft und wie lange diverse digitale Medien genutzt werden, aber wie die Nutzung aussieht, also was genau geschieht ist bisher kaum bekannt. Dies ist aber wichtig zu wissen, da bekannt ist, dass die Kompetenzen in Bezug auf die Nutzung digitaler Medien in der Gesellschaft unterschiedlich ausgeprägt sind. Dies hat die Forschung zu "Competence Divide" (van Dijk 2013[1]) gezeigt.
Um diesen gesellschaftlichen Zusammenhang zu rekonstruieren und die Auswirkungen für das Studium aufzuzeigen, wird auf das Habituskonzept von Pierre Bourdieu zurückgegriffen. Unter Habitus ist das Erscheinungsbild sowie die Vorlieben, Wertvorstellungen und Normen die eine Person vertritt zu verstehen. Oder in den Worten Bourdieus: „Das ist eine allgemeine Grundhaltung, eine Disposition gegenüber der Welt, die zu systematischen Stellungnahmen führt. Es gibt mit anderen Worten tatsächlich – und das ist meiner Meinung nach überraschend genug – einen Zusammenhang zwischen höchst disparaten Dingen: wie einer spricht, tanzt, lacht, liest, was er liest, was er mag, welche Bekannte und Freunde er hat usw. – all das ist eng miteinander verknüpft.“ (Bourdieu 1992, S. 31f[2])
Der Habitus ist eng verknüpft mit dem Milieu aus dem jemand stammt (Primärhabitus), bzw. in das er bzw. sie sich im Laufe des Lebens begeben hat (Sekundär- bzw. Tertiärhabitus). Milieu wird definiert als: „Demnach bilden sich soziale Milieus dadurch, dass Individuen „Ideen, Interessen, Gefühle und Beschäftigungen gemeinsam haben“. Diese Gemeinsamkeiten führen dazu, dass „sie sich suchen, in Verbindung treten, sich vereinen und auf diese Weise nach und nach eine engere Gruppe bilden“ (Durkheim 1988, S. 55).“ (Bremer & Teiwes-Kügler 2013: 201)
In dem Forschungsprojekt „Nutzung digitaler Medien für das Studium und Habitus von Studierenden“ wird an deutsche Milieustudien angeknüpft und die Milieulandkarte von Michael Vester verwendet (Vester et al. 2001[3]) um herauszufinden, ob sich die Nutzung digitaler Medien je nach Habitus der Studierenden unterscheidet. Damit wird auch in den Blick genommen, inwieweit digitale Medien zu einer neuen/andauernden strukturellen Ungleichheit im Studium beitragen (könnten).
Zur Beantwortung dieser Fragestellungen werden narrative Interviews (Bremer/Teiwes-Kügler 2013[4]) durchgeführt, die mit der Habitushermeneutik (ebd.[4]) ausgewertet werden. Durchgeführt wird die Habitushermeneutik als Sequenzanalysen. Ziel der Analyse ist die Rekonstruktion des Habitus und damit verbunden der „Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata“ (Bourdieu 1987, S. 101[5]) in Bezug auf die Nutzung neuer Technologien durch Studierende.
Mehr Informationen zu diesem open science Projekt finden sich auf meinem Blog https://sozmethode.hypotheses.org/category/kollaborativ-online-interpretieren. Unterstützt wird das Forschungsprojekt durch Wikimedia, den Stifterverband und die Volkswagenstiftung im Rahmen des Programms Freies Wissen (LINK).
ACHTUNG ERGÄNZEN
Lange-Vester, A., & Teiwes-Kügler, C. (2014). Habitussensibilität im schulischen Alltag als Beitrag zur Integration ungleicher sozialer Gruppen. In T. Sander (Ed.), Habitussensibilität: Eine neue Anforderung an professionelles Handeln (pp. 177–207). Wiesbaden: Imprint: Springer VS.
Literatur
- ↑ van Dijk, J. A. (2013). Digitale Spaltung und digitale Kompetenzen. In A. Schüller-Zwierlein & N. Zillien (Eds.), Informationsgerechtigkeit: Theorie und Praxis der gesellschaftlichen Informationsversorgung (pp. 108–133, Age of Access? Grundfragen der Informationsgesellschaft, Vol. 1). Berlin: De Gruyter.
- ↑ Bourdieu, P. (1992). Die verborgenen Mechanismen der Macht (Schriften zu Politik & Kultur, Vol. 1). Hamburg: VSA-Verlag.
- ↑ Vester, M./von Oertzen, P./Geiling, H. u.a. (2001): Soziale Milieus im gesellschaftlichen Strukturwandel. Frankfurt a.M.
- ↑ 4,0 4,1 Bremer, H., C. Teiwes-Kügler. 2013. Habitusanalyse als Habitus-Hermeneutik. ZQF 14:199–219.
- ↑ Referenzfehler: Es ist ein ungültiger
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